Die Befähigung ist ein zentrales Entwicklungselement der Digitalisierung
Warum trotz Online-Boom Branchen in die Sackgasse kommen
Als VP Sales DACH für OroInc. führe ich viele Gespräche mit Unternehmen, die sich für die B2B Software von OroInc. interessieren. Dabei ist es ganz normal, dass die Unternehmen am Anfang ihres Auswahlprozesses erst eine Long- und dann eine Shortlist erstellen und die in Frage kommenden Softwareprodukte immer weiter eingrenzen.
Auf diesen Listen stehen im Regelfall die “üblichen Verdächtigen” wie man sie beispielsweise auch aus dem Gartner Magic Quadrant kennt.
Ab und an kommt es aber auch vor, dass eine Branchenlösung auftaucht, von der man meist außerhalb der Ecommerce-Branche noch nichts gehört hat.
Wenn diese Branchensoftware auf modernen Technologien basiert und die Besonderheiten der jeweiligen Branche gut abbildet, ist es für ein generisches Produkt wie OroCommerce schwer, dagegen zu bestehen – auch wenn es sehr flexibel ist und sich auf diese Branche anpassen ließe. Meist hat so eine Branchensoftware bereits mehr Referenzkunden aus der Branche oder ein günstigeres Kostenprofil im Bereich der Anpassungen, weil die entscheidenden Use Cases eben schon mehrfach implementiert wurden.
Immer öfter stoße ich aber auf genau das Gegenteil. Die Anbieter von Branchensoftware haben sich “auf ihrem Erfolg ausgeruht” und versäumt, ihre Softwareprodukte zu modernisieren. Die Software mag lokal installiert noch nützliche Dienste leisten, ist aber nicht webfähig:
- läuft also nicht im Browser
- kann auch deshalb nicht von überall und auf jedem Gerät benutzt werden
- ist aufgrund fehlender bzw. veralteter Schnittstellen nicht anschlussfähig / kann nicht integriert werden
Der Softwarehersteller sieht sich in so einer Situation gleich mehreren Dilemmata ausgesetzt:
- Er muß auf der einen Seite die Software der bestehenden Kunden weiter warten / pflegen, da dies seine Haupteinkommensquelle ist. Gleichzeitig müsste er massiv in neue Technologie investieren – vor allem in neue Mitarbeiter und den Aufbau von Know-how. Meist fehlen dazu die Ressourcen oder auch die Vision für den Transferprozess.
- Selbst wenn der Aufbau von Mitarbeitern und Know-how sowie die Entwicklung einer neuen, webfähigen Version der Branchensoftware gelingt, ergibt sich ein äußerst ungünstiges ROI-Szenario:
Denn ganz vereinfacht werden bei Softwareprodukten die Entwicklungskosten durch die Anzahl der Käufer geteilt. Folglich ergibt sich für denjenigen Hersteller ein enormer Wettbewerbsvorteil, dem es gelingt, eine besonders große Anzahl von Abnehmern zu finden. Naturgemäß ist die Anzahl potentieller Abnehmer für eine Branchenlösung viel kleiner, als für die Anbieter generischer Software, denn sie ist ja nur auf die jeweilige Branche begrenzt einsatzfähig.
Geben Sie auf!
Oder: Wie Sie sich aus dieser klebrigen Entwicklungsfalle befreien
Auf den ersten Blick mag die Situation für die Anbieter von Branchensoftware hoffnungslos erscheinen. Aber nur auf den ersten Blick. Nimmt man Branchensoftware etwas genauer unter die Lupe, stellt man schnell fest, dass der überwiegende Teil generalistische Funktionen wie z.B. Nutzer- bzw. Rechte- und Rollenverwaltung, Benachrichtigungs- und Monitoringfunktionen oder kaufmännische Standardprozesse sind. Nur ein vergleichsweise kleiner Teil sind tatsächlich branchenspezifische Prozesse, Datenformate oder Schnittstellen.
Man kann es sich vielleicht vorstellen wie bei Lkw, deren Grundfahrzeug mit Chassis, Motor und Fahrerkabine für alle Anwendungen gleich aufgebaut ist, aber die Aufbauten vom Kipper, Kühlkoffer, Tank bis zum Betonmischer reichen – quasi anwendungsspezifisch sind. Hier käme auch niemand mehr auf die Idee, das Grundfahrzeug für jeden Anwendungsfall neu zu entwickeln.
Daraus ergibt sich die Frage – Was wäre denn bei B2B Software das Grundfahrzeug?
Viele der grundlegenden Anwendungen im E-Commerce folgen heute standardisierten Abläufen. Ihre Datenstrukturen können über vorgefertigte Schnittstellen aufgenommen werden. Solche Dienste bedürfen keiner branchenspezifischen Lösung mehr. Sie folgen nicht nur den gleichen Prinzipien, um eine Kompatibilität zum Beispiel bei Bezahlvorgängen zu gewährleisten. Häufig setzen Software-Hersteller sogar auf die Nutzung der buchstäblich gleichen Bauteile.
Das ideale Grundfahrzeug ist also eines, das viele verschiedene “Aufbauten” tragen kann, und das möglichst leicht umgebaut werden kann, wenn sich seine Aufgaben verändern.
15. November 2021 -
[…] einem zurückliegenden Artikel habe ich mich gefragt: Wie müsste das “Grundfahrzeug” für eine E-Commerce-Lösung im B2B […]